Die Schlachten bei Arbalo, Teutoburgiensis Saltus, Campus Idistaviso und der Hildesheimer Silberfund

Thüster Berg, Thüste = Teuto

  1. Der Ursprung des Ortsnamens Thüste
  2. Tuisto
    1. Der Gott Tuisto bei Tacitus
    2. Tuisto = Tuisco = Teuto
    3. Der keltische Gott Teutates
  3. Teutoburgiensis Saltus = Thüster Berg
    1. Thüster Berg
    2. Thüster Burg
    3. Tuisto-Altar
    4. Drusus-Altar
  4. Hinweise auf ein Römerlager nordwestlich des Thüster Berges
  5. Ith = Gnita?

Der heute so genannte Teutoburger Wald  hieß Osning   und erhielt seinen Namen im 17. Jahrhundert von Philipp Clüver. Ferdinand von Fürstenberg, Fürstbischof von Paderborn und Münster, setzte diesen Namen dann durch. Der Teutoburgiensis saltus  ist also nicht notwendig mit ihm identisch.

Teutoburgiensis  lässt sich nicht nur, wie allgemein üblich, als Volksburg herleiten 1 ; möglich ist auch die Herleitung vom Gott Tuisto .

Ich stelle die These auf, dass der Teutoburgiensis saltus  der Thüster Berg  ist.

Der Ursprung des Ortsnamens Thüste

Ältere Schreibweisen sind: Thüeste, Duiste . 2 , sowie nicht ganz sicher Tiuguste, Thiuguste 3 Man beachte, dass sich das G in Tiuguste , so wie es zur Zeitenwende ausgesprochen wurde, im Lateinischen nicht darstellen ließ, wie im Kapitel Arbalo  erläutert. Die Vertauschung von u  und e/i  in Thueste / Teuto  wäre damit erklärt. Die Ortschaft Thüste besitzt den ältesten Siedlungsnamen im Flecken. Wahrscheinlich ist, dass Thüste eine Cheruskersiedlung mit dem Namen Tiusti war. 4

Ich vermute, dass der Ortsname Thüste  sich vom Namen des Gottes Tuisto  ableitet.

Tuisto

Der Gott Tuisto bei Tacitus

Tacitus  erwähnt in seiner Germanica, 2  den erdentsprossenen Gott Tuisto , in einigen Abschriften auch Tuisco :

[la] Celebrant carminibus antiquis, quod unum apud illos memoriae et annalium genus est, Tuistonem deum terra editum. Ei filium Mannum, originem gentis conditoremque, Manno tris filios adsignant, e quorum nominibus proximi Oceano Ingaevones, medii Herminones, ceteri Istaevones vocentur. 5
[de] Sie feiern in alten Gesängen, was bei ihnen eine Art des Gedenkens und der geschichtlichen Aufzeichnung ist, den Tuisto als aus der Erde entsprossenen Gott. Ihm ordnen sie einen Sohn namens Mann zu, den Ursprung und Gründer des Menschengeschlechts, und dem Manne drei Söhne, nach deren Namen die dem Ozean nächsten Ingväonen, die ihm zweitnächsten Hermionen 6 und als übrige die Istväonen benannt sind.

Übersetzt von J. Regel

Tuisto = Tuisco = Teuto

Jacob Grimm  vermutete die Äquivalenz von Tuisto, Tuisco und Teuto:

Übrig bleibt nun des Mannus eigner vater, der erdgeborne Tuisco. wie wenn das wort gleich mannisco gebildet und verkürzt aus tiudisco wäre? nicht unähnlich machte die altfranz. sprache Thyois, Tyois, Tiois aus Tydois, Thionville aus Thiodonisvilla. der gott hieße in goth. mundart Thiudisla, in hochdeutscher Diutisvo, der aus dem volk (límala, cliot) selbst entsprossene. mit Tiulisco könnte der volksname Teuto , Tiuto (ahd. Dieto) nah verwandt sein. 7

Der keltische Gott Teutates

Tuisto  ist wahrscheinlich mit dem keltischen Gott Teutates  identisch; zu deuten entweder wie allgemein üblich als Teut|ates = Volksvater oder — wozu ich tendiere — Teu|tates = griechisch Zeus pater, germ. Tiu/Ziu-Vater, lat. Iupiter (vgl. walisisch tad = Vater, englisch dad = Vater).

Um die Zeitenwende lag Thüste im Übergangsbereich zwischen Kelten und Germanen.

Karte der Kelten und Germanen in Deutschland um die Zeitenwende Legende zur Karte
Ausbreitung der Germanen ins Gebiet der Kelten nach Putzger [2000], Seite 85.

Teuto burgiensis Saltus = Thüster Berg

Thüster Berg

Ob Varus mit seinem Heer aus der Gegend um Hildesheim nach Westen in Richtung Castra Vetera oder aus der Gegend um Hameln nach Südosten in Richtung Mainz zog — er passierte den nach dem Ort benannten Thüster Berg 8 , einen Höhenrücken, der nach Nordosten in einen markanten, seit langer Zeit als Steinbruch genutzten Felsen ausläuft. Man findet ihn am westlichen Rande der Karte. 9

52° 03' 28" N 9° 37' 56" O Kanstein, der höchste Gipfel des Thüster Berges Bing Maps GeoHack Google Maps Mapquest Yahoo Maps
Umgebung der Stadt Elze, © Niedersachsen-Navigator 10 Karte des alten Deutschlands von Ortelius

Die geographische Lage und die etymologische Herleitung spechen dafür, dass der Thüster  Berg mit dem Teuto burgiensis saltus (Teutoburger Bergwald, Tacitus Annales I 60 ) identisch ist  und dort die Überfälle auf die Legionen des Varus begannen.

Wenn bei Elze Tropaea Drusi lag, muss der Teutoburgiensis Saltus sich im Westen anschließen, wie auch die Karte des Ortelius  zeigt.

Thüster Burg

Bei Thüste gab es eine Burg. Sie ging um 1500 in Trümmer; die letzten Reste der Ruine fielen dem Steinbruch zum Opfer.

Jahr 1500: In Thüste steht auf der sogenannten "Borg" tatsächlich eine Steinburg, die um 1500 in Trümmer geht. Die Steine sind mit Gipsmörtel aus dem Weenzer Bruch fest zusammengefügt. Es handelte sich wahrscheinlich um eine frühmittelalterliche Anlage zur Wegekontrolle. 1923 wird hier eine Lanzenspitze gefunden. Heute ist leider nichts mehr von der Burg zu sehen.
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Die Thüster Burg kontrollierte im Mittelalter die sogenannte Rhein-Weser-Leine-Oker-Elbe-Straße, die die Leine bei Freden querte, unterhalb der Winzenburg  durch den Römergrund verlief und weiter am Nordrand des Harzes in die Gegend von Quedlinburg / Halberstadt führte.

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Östlich von Thüste liegt ein Steinbruchgebiet, an dem der Name „die Burg“ haftet. Ihre Reste fielen dem bereits in den 1840er Jahren vorhandenen Steinabbau zum Opfer. Die Anlage soll die Form eines Ringwalles von 75 bis 80m Durchmesser und einen vorgelagerten Graben gehabt haben.
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Hier die sich aus dem obigen Zitat ergebende Lage der Thüster Burg in einigen Internet-Karten:

52.022798 N 9.652508 O Thüster Burg Bing Maps GeoHack Google Maps Mapquest Yahoo Maps
Thüster Burg vom Thüster Berg

Auch wenn die Anlage im Mittelalter umgestaltet wurde, mag ihr Vorläufer die von Tacitus (Annales I 60)   überlieferte Teutoburg  sein. Die Photographie, aufgenommen vom Südhang des Thüster Berges, zeigt die Reste des Steinbruchs, wo einst die Burg stand.

Tuisto-Altar

Nördlich oberhalb der Thüster Burg auf dem Thüster Berge befand sich der Altar des Gottes Tuisto :

Wie schon bei der ältesten Besiedelung angegeben wurde, glaubten die alten Cherusker an den erdgeborenen Gott Tuisto, dem auf dem Thüster Berg ein Heiligtum gewidmet war: die Soleiche (Sol - von Suhle - von Wildschweinen durchwühlt). Die Reste der uralten, hohlen Eiche waren noch lange ein Unterschlupf von Eulen. Im Jahre 1932 pflanzte dicht daneben der alte C. Möhle eine junge Eiche, unter der eine Botschaft in einer Flasche vergraben ist mit Angaben über die damaligen Verhältnisse des Ortes. Auf dem Wege in der Ebnisse soll ein Steinaltar  gewesen sein, der zum Teil abgetragen zum Teil versunken ist. Zu diesem führt auch der Hilligenweg, ein Pfad, der noch zu sehen ist.

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… Daher waren viele Wälder und Berge dem Tuisto als Heiligtümer und Stätten der Anbetung und des Opfers geweiht. Und so auch der Platz auf der „Ebnis” (Ebene) im Thüster Walde, 2 Kilometer von dem heutigen Thüste, wo sich der Altar   befand, auf dem Tuisto geopfert wurde. Noch jetzt ist neben der uralten „Sohleiche” (Sohl = Suhl, Sumpf) der heilige Ort zu erkennen. Der Altar selbst ist tief versunken, und ein Steinweg führt über ihn hin, aber die alte Sohleiche ist noch lebensfähig, obwohl sie vollkommen hohl, eine Brutstätte der Eulen ist.
Soleiche bei Thüste, photographiert von Jürgen Regel

1996 wurde wieder eine junge Eiche an Stelle der alten gepflanzt, 1997 ein Gedenkstein gesetzt. 15

So(h)l  mit Suhle  gleichzusetzen erscheint mir abwegig; ich plädiere für So(h)l  = Säule . 16

52° 02' 44" N 9° 38' 52" O Sohleiche auf dem Thüster Berg http://www.panoramio.com/photo/51346198 , http://www.panoramio.com/photo/51341742 , http://www.panoramio.com/photo/51341713 . Danke für Ihre Unterstützung! Bing Maps GeoHack Google Maps Mapquest Yahoo Maps

Unmittelbar nördlich befindet sich ein kleiner Steinbruch, aus dessen Wand große quaderförmige Stücke herausgebrochen wurden. Östlich wird das Gelände sumpfig. Die dort dicht stehenden Brennesseln weisen auf Stickstoff und Phosphor im Boden hin, vielleicht auf die Reste der geopferten Tiere oder Menschen.

Steinbruch unmittelbar nördlich der Soleiche mit quaderförmigen Fehlstellen

Vielleicht ist der Altar bei Thüste einer der von Tacitus erwähnten germanischen Opferaltäre, die Germanicus 15 n. Chr. im Saltus teutoburgiensis aufsuchte:

[la]Lucis propinquis barbarae arae, apud quas tribunos ac primorum ordinum centuriones mactaverant.
In den nahen Hainen barbarische Altäre, bei denen sie die Generäle und Stabsoffiziere geopfert hatten. 17

Drusus-Altar

Ein typischer römischer marmorner Grabaltar der Zeit 14 - 68 n. Chr.

Tacitus  erwähnt in den Annalen II 17 , dass Germanicus einen seinem Vater Drusus geweihten Altar in der Gegend um Aliso wiedererrichtet habe. Das Bild zeigt einen typischen römischen Grabesaltar jener Zeit. 18 Folgende Bedingungen helfen bei der Suche nach ihm:

Es gibt einen einzigen Altar, auf den diese Bedingungen zutreffen: Den oben genannten Altar bei Thüste. Wegen seiner Lage mitten im Walde kommt er als ursprünglicher Standort des Drususaltar aber nicht in Frage.

Es liegt nahe, dass die Germanen nach dem Abzug des Germanicus den Altar für ihre eigenen sakralen Zwecke verwendeten, zur Götterverehrung oder als Sockel eines Arminsdenkmals , wie es Sebastian Münster dargestellt hat. Dazu schafften sie ihn in eines ihrer Heiligtümer, gewiss nicht allzu weit vom ursprünglichen Standort. Baring  erwähnt, dass auf dem Thüster Berg ein Idolum oder Götze  gestanden habe. 20

Thüste ist berühmt für seinen wertvollen [de]Thüster Kalkstein , der bis in unsere Zeit für Grabdenkmäler verwendet worden ist. Er eignete sich für den Bau beider Altäre. Die Thüster Burg  ist, wie oben geschrieben, einem Steinbruch für hochwertigen Stein gewichen. Sie wäre der ideale Standort für den Drususaltar gewesen.

Hinweise auf ein Römerlager nordwestlich des Thüster Berges

Im Jahre 1891 wies Carl von Veith  auf ein mögliches Römerlager auf einem dazu sehr geeigneten Vorsprunge der Thüster Berge  hin. 21

Ein Luftbild eines möglichen Lagers nordwestlich Hemmendorf's und des Thüster Berges zwischen dem Ith und dem Hemmendorfer Ortsteil Heide findet sich bei Hülsemann . 22

Ith = Gnita?

Alte Namen des Ith s lauteten  Igath, Gigath, Montes Niterini, Nithe-Mons / Nithe-Berg, Nieth . 23 Wenn man versucht, daraus eine gemeinsame Urform konstruieren, gelangt man zu GNIT(H)E . Das vom Ith im Westen, dem Thüster Berg im Südosten und dem Osterwald (Ort Heide) im Nordosten begrenzte Dreieck, das von salzigen Bächen durchzogen wird, wäre dann die Ith-Heide  = Gniteheide . Dieses Wort ähnelt der im Nibelungenlied erwähnten Gnitaheide , auf der Siegfried den Lindwurm Fafner erschlug.


1 Das lat. Adjektiv Teutoburgiensis ist abgeleitet von *Teutoburgium "Volksburg", dessen erstes Glied über keltisch Teuto von thiota "Volk, Menschen" entlehnt ist. Das Gebirge heißt also nach einer dort gelegenen germanischen Fluchtburg. Duden: Geographische Namen in Deutschland. Dudenverlag.

Auch lateinisch [la]totus,-a,um = ganz, all  stammt aus dieser Wurzel.

2 Daniel Eberhard Baring: Beschreibung der Saala …; Lemgo; 1744; Seite 43

3 Thüste bei Hameln, a. 1022 (Fälschung) Tiuguste, Thiuguste; Hoops, Johannes: Reallexikon der germanischen Altertumskunde; Band 22; Walter de Gruyter; 2003; Seite 242

4 [de]Salzhemmendorf, Geschichte

5   P. Cornelius Tacitus: De origine et situ Germanorum, II

6Zu den Hermionen gehörten auch die Cherusker.

7 Grimm, Jacob: Deutsche Mythologie, Seite XXIX

8Der Thüster Berg liegt 45 km westlich Schellerten's und 35 km westlich Hildesheim's.

9 Photographie der Nordostkante des Thüster Berges (Steinbruch am Bockshorn) von Jared J. Myers

10 Niedersachsen-Navigator http://www.lgn.niedersachsen.de

11 http://www.salzhemmendorf.de/Chronik-von-Theste.html

12 Rötting, Hartmut: Höhenburg und Kalksteinbruch. : Ein letzter Kampf um d. Kanstein? - In: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen. - Hameln. - ISSN 0720-9835. - Jg. 8 (1988) S. 89-91 : 4 Abb.

13 Kreisheimatbund Hildesheim: Rose und Radkreuz, Abschnitt über Thüste; http://www.kreisheimatbund-hildesheim.de/pages/bilder/rose-und-radkreuz.php

14 Geschichtliches aus Salzhemmendorf Webpräsenz Salzhemmendorf / Götter und Germanen / Tuisto

15 Salzhemmendorfer Internetpräsenz: Chronik von Thüste

16 Zur Äquivalenz von Suhle  mit Säule  siehe Grimm: Deutsches Wörterbuch, Artikel Suhle

17 Tacitus: Annales I 61 , Übersetzung J. R.. Die Textstelle folgt unmittelbar der einzigen Erwähnung des Teutoburgiensis Saltus  (I 60).

18 Funerary altar [Roman] (25.78.29)". In Heilbrunn Timeline of Art History. New York: The Metropolitan Museum of Art, 2000–. http://www.metmuseum.org/toah/works-of-art/25.78.29 (October 2006) Source: Funerary altar [Roman] (25.78.29) | Heilbrunn Timeline of Art History | The Metropolitan Museum of Art http://www.metmuseum.org/toah/works-of-art/25.78.29

19 Bilder heute noch vorhandener römischer Altäre

20 Baring, Daniel Eberhard: Beschreibung der Saala …, Lemgo 1744, Seite 81 . Der Götze habe, wie er aber bezweifelt, auf dem Sürkenstein oberhalb von Salzhemmendorf gestanden.

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Bei Hemmendorf, 1½ Meilen von Grohnde, fliesst auch eine Saale und zeigen sich dort Reste eines alten Kriegslagerplatzes auf einem dazu sehr geeigneten Vorsprunge der Thüster Berge, den Mommsen,Röm. Geschl. V S. 27 mit Drusus in Verbindung bringt …
von Veith, Carl: Arbalo und Aliso; in: Festschrift zum fünfzigjährigen Jubliäum des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande; Adolph Marcus; Bonn;1. October 1891; Seite 114. http://teutoburgiensis.de/DE/1%20Magna%20Germania/1%20Magna%20Germania.html

22 Hülsemann, Martin: Untersuchung der römischen Provinzialisierung Germaniens. http://teutoburgiensis.de/DE/2%20Verkehrswege/2%20Verkehrswege.html#2.4_Die_Verbindungsstra%C3%9Fen_aus_der 2014-02-18

23 http://www.salzhemmendorf.de/geschichte-geschichten/geschichtliches-aus-salzhemmendorf/gotter-und-germanen/   Der dort geäußerten Gleichsetzung Ith = Idisenberg  kann ich nichts abgewinnen.