Die Schlachten bei Arbalo, Teutoburgiensis Saltus, Campus Idistaviso und der Hildesheimer Silberfund

Irminsul

  1. Deutung von Irmen
    1. Irmen = Menhir
    2. Irmin = allgemein, gewaltig
  2. Deutung des Namens Arminius
    1. Arminius = Angehöriger des Stammes der Herminonen
    2. Arminius = der vom blauen Stein, der blaue
  3. Deutung Irminsul
    1. Irminsul = Weltenbaum Yggdrasil
    2. Die Irminsul als Arminsdenkmal
  4. Die Irminsul im Hildesheimer Dom
  5. Stand die Irminsul bei Irmenseul?
Karte der Umgebung von Irmenseul, © Niedersachsen-Navigator 1

Der Name des wenige Kilometer von Segeste entfernten Ortes Irmenseul , früher auch Armenseul , weist auf das Stammesheiligtum der Cherusker, die Irminsul, hin. Sie gehörten zu den Herminonen , einer Gruppe von Germanenstämmen.

Gibt es eine Beziehung Irmin - Arminius? Wie lassen sich die Säule und ihr Name deuten? Stand sie beim Dorf Irmenseul?

Deutung von Irmen

Irmen = Menhir

Die Kelten verehrten ihre Götter, insbesondere ihren höchsten Gott Teutates, an hohen aufgerichteten Findlingen, den Menhiren  (men = Stein, hir = lang). Auch die an der Grenze zwischen Germanen und Kelten siedelnden germanischen Cherusker verehrten in Thüste den Tuisto = Teutates, einen keltischen Gott. Es liegt nahe, dass sie es - dem keltischen Brauche folgend - an einem Menhir oder etwas Vergleichbarem taten. Als Germanen stellen sie das Adjektiv dem Nomen voran: aus Menhir wurde Hirmen. Da sie die keltische Bedeutung nicht mehr verstanden, wurde das Grundwort Säule hinzugefügt: Irminsul. Die Herminonen  wären danach die Stämme, die solche Säulen kultisch verehrten.

Irmin = allgemein, gewaltig

Irmin , urgermanisch *ermina  bedeutet allgemein, umfassend, gesamt, gewaltig , siehe [de] Wikipedia-Artikel Herminonen , ist also nicht der Name eines germanischen Gottes. Die Herminonen  sind also ein Stammeszusammenschluss, man vergleiche Alemannen = alle Mannen .

Deutung des Namens Arminius

Arminius = Angehöriger des Stammes der Herminonen

Unabhängig davon, welche der beiden Deutungen man bevorzugt, mag Arminius  nach seinem Stamm benannt worden sein. Die Cherusker gehörten nach Plinius dem Älteren nämlich zu der Stammesgruppe der [de] Herminonen . 2 Dagegen spricht, dass die Anfangsbuchstaben A und I / HE zu verschieden sind.

Arminius = der vom blauen Stein, der blaue

Armenier Stein Armenius lapis, ist ein Stein, so zwar dem Namen nach erst aus Armenien gekommen, nun mehr aber sich gar häufig in Teutschen Bergwerken befindet, und mehrenteils in Silber-Gruben, neben dem Berg-Grün, siehet grün-blau aus; daher das Berg-Blau vor die Mahler, daraus gemachet wird, davon eine Sorte immer feiner als die andere ist, nachdem nehmlich der Stein wohl gerieben, gewaschen und von Sand gesaubert worden.
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Die altgriechische Form des Namens Arminius lautet Ἀρμηνίος,Ἀρμενίος / Armenios . 4

Florus schreibt den Namen ebenfalls mit e: … duce Armenio arma corripiunt … 5

Die germanische Form des Namens des Arminius ist nicht überliefert. Seine römische Form bedeutet: Der vom blauen Stein  oder der blaue.

Die deutsche etymologische Entsprechung des Namens seines Bruders Flavus = der Blonde ist der Blaue.

Noch heute ist ein Blauer Stein das Wahrzeichen der Stadt [de]Alfeld an der Leine und mit der Lippoldssage (siehe folgende Seite)  verknüpft; da diese im Kernland der Cherusker liegt, vermute ich, dass Arminius und sein Bruder Flavus nach diesem blauen Steine benannt worden sind. Später mögen die Namen der Brüder dann auf körperliche Eigenschaften (blaue Augen, blondes Haar) bezogen worden sein.

Deutung Irminsul

Irminsul = Weltenbaum Yggdrasil

Irminsul als Weltenbaum, Zeichnung von   Marianne Klement

Bei den Germanen und anderen Völkern gab es die Vorstellung, dass das Himmelsgewölbe auf einer Säule als Drehachse ruhe, die am Nordpol stehe. Diese Deutung wird in der deutschen Wikipedia im Artikel [de] Irminsul  vertreten. Rudolf von Fulda 6  fasst die Irminsul = allgemeine Säule  als Columna universalis = Weltallsäule   auf. (Vergleiche die oben diskutierte Wortbedeutung .) Damit ist sie der Weltesche Yggdrasil  gleichgesetzt. Sie leitet sich nicht von der Person des Arminius ab.

Die Irminsul als Arminsdenkmal

Die Irminsul nach Sebastian Münster. Holzschnitt aus Cosmographey, ca.1590 7 Hermannsdenkmal aus Wikipedia 8

Rechts eine Darstellung der Irminsul nach Sebastian Münster um 1590 (siehe Wikipedia-Artikel [de] Irminsul, Die Irminsul im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit ). Er meinte in seiner Cosmographia von 1550, mit der Irmenseul  sei der Gott Hermes  geehrt worden (vermutlich wegen der Ähnlichkeit Irmen - Hermes ). Es gab aber keinen Gott namens Irmen . So liegt es nahe, dass die dargestellte Person Arminius der Cherusker war. Der Name Irminsul  leitet sich nur indirekt (über Volksstamm und Person des Arminius) von irmin = allgemein  ab.

Ernst von Brandel , der Erbauer des [de]Hermannsdenkmals , mag davon inspiriert worden sein.

Dass Arminius dargestellt war, meint auch Johann Letzner 9 :

Es hat aber mit dem Bildnis der Armenseul/ die gestalt auff einer gantz schönen und zierlichen Marmolseul/ hat ein Bildtnis eines geharnischeten Kreigesmannes/ gestanden/ in mannigerley art Rosen und Blumen/ der hat ein Schwerdt an seiner Seite hangend/ und einen Hanen auff seinem Haupt fürend. In der rechten Hand aber füret er eine Fahne/ darin eine Rose gestanden/ unnd in der linckern Hand eine Wage. Auff der blossen Brust einen gemaleten Beren/ darunter ein Schild mit einem Lawen/ uber dem Lawen im Schilde/ eine Wage/ unnd unter dem Lawen eine Rose.

Dieses ist das Bildnis der Armenseul/ welchs in Monte Martis zu Marsburg oder Eresburg/ jtzt Stadt Berge genandt/ auff der Marmol Seul gestanden/ dem Arminio zu Ehren gesetzt/ aber von den heidnischen Sachsen zum Gott gemachet wurden.

Man soll zu Corbei/ bey der Armenseul/ sonst noch einen Stein gefunden haben/ darauff folgend Schrifft gestanden. Dux ego gentis Saxonum, Victoriam certam polliceor me venerantibus. Das ist/ Ich bin der Sachsen führer/ sage zu gewissen Sieg/ denen die mich ehren.

Die Irminsul im Hildesheimer Dom

Im Jahre 772 ließ Karl der Große die Irminsul zerstören. 50 Jahre später sollten die Reste, die bei Corvey aufgefunden worden waren, zum Hildesheimer Dom gebracht werden. Die Säule war zerbrochen, die darauf gestandene Figur war von den Sachsen schon wieder erlangt worden. Beim heutigen Ort Irmenseul hätten Sachsen den Tross überfallen, um auch der Säule wieder habhaft zu werden, doch ohne Erfolg. Noch heute steht im Hildesheimer Dom eine Mariensäule, die seit alters her Irmensäule  genannt wird. (Aus der heidnischen Irmensäule eine christliche Mariensäule zu machen, legte wieder eine Namensähnlichkeit nahe: IRMen -> MaRIen .) Sie besteht aus Kalksinter ‒ während eine gewöhnliche Irminsäule als Holz bestand. 10

Noch einmal Johann Letzner :

Als nun Carolus Magnus Anno Christi 772. Indict 10. Die Sachsen bey Osenburgk erlegt und geschlagen/ hat er diesen Götzen zerbrochen unnd hernider geworffen. Und weil er vermerckt/ das sie die Seul ja so heilig achteten als das Bild/ hat er bey nachtschlaffender zeit/ und in aller geheim/ die Seul biß an die Weser führen und bringen lassen/ und an den ort da jtzund das Keiserliche frey stifft Corbei stehet begraben lassen. Der Meinung wann sie ersten den leuten auß den augen keme/ würde sie auch dem Hertzen bald entfallen. Nach Caroli Magnus absterben aber/ unnd als sein Sohn Lodowicus Pius/ Römischer Keyser wurden/ das Closter Corbei unnd das Stifft Hildesheim gestifftet/ und die Seul zu Corbei ungefehrlich gefunden würden/ hat sie Lodowicus Pius/ damit dadurch die Sachsen deß orts nicht widerumb mochten erreget werden/ gen Hildesheim in das newe Stifft führen und bringen lassen/ wie Conradus Fontanus monachus schreibt. Nun kündt gleichwol dieses so heimlich nich verrichtet werden/ die Westvalen würden dessen gewahr/ versammelten sich/ unnd wurden der sachsen miteinander einig/ der Armenseul zu folgen/ unnd die wider uber die Weser zu bringen. Nun sind sie gantz grimmiglich und ernstlich/ dem Wagen biß in die Graffschaft Wintzenburgk gefolget/ und an dem ort da jetzundt das Dorff Armenseul stehet/ an den Wagen komen/ denselben mit ernst angeffallen/ der meinung/ der Seul worauff ihr Gott gestanden/ mechtig zu werden. Da gegen die andern/ so bey den Wagen verordenet sich tapffer gewehret/ und manhafftig vor die Seul gestritten/ also das daselbst in so geringem Scharmützel/ umb eines todten steins wille[n] acht man von beiden theilen todt liggende blieben sindt. Die Keiserschen aber haben den Platz behalten/ und die Marmelseul zu Hildesheim in den Thum bracht. Man hat aber zum Gedechtnis den ort/ da das Scharmützel gehalten/ Armenseul genandt/ auch dahin etzliche Leichstein gesetzt und auffgericht/ so ist auch nach zeiten ein Claus mit einer Capell dahin gebawet/ die man gleichfals Armenseul genandt hat. Endtlich ist dabey ein Dorff wurden/ dabey die Junckern von Stockheim erstlich von den Graffen von der Wintzenburgk/ darnach vom Bischoff zu Hildesheim etzliche Güter in Lehnschafft gehabt/ unnd noch jtzundt von den Fürsten von Brunschwig in Lehnschafft haben.... Man soll zu Corbei/ bey der Armenseul/ sonst noch einen Stein gefunden haben/ darauff folgend Schrifft gestanden. Dux ego gentis Saxonum, Victoriam certam polliceor me venerantibus. Das ist/ Ich bin der Sachsen führer/ sage zu gewissen Sieg/ denen die mich ehren.

Letzner erwähnt noch einen alten Hildesheimer Brauch, der sich anscheinend auf die Irmensäule bezieht:

So wird auch noch alle Jahr/ daselbst zu Hildesheim/ Sonabends nach Laetare/ vielbemelter Armen Seul (weil sie vielleicht am selben tage dahin mag komen sein) eine Memoria auff dem kleinen Thumhoffe/ folgender gestalt gehalten. Am selben tage (wie jtzt vermeldet) kömpt dahin ein Bawresman/ sonderlich dazu deputirt und bestellet/ unnd bringet mit sich zwey Höltzer/ jglichs eines Klaffters lang daneben zwey zugesitzte Höltzer/ in form und gestalt eines kiegels zugericht. Die beiden grossen Höltzer aber/ setzt er gegen einander in die Erden/ unnd die kleinen gespitzeten Höltzer oder Kiegel darauff. Baldt unnd in der eil/ versammeln sich dahin allerley Buben und jung Gesindlein/ werffen mit steinen und Stocken/ damit die zugespitzten Höltzer oder Kiegel (wodurch die Heidnischen oder Teufflischen Götzen gemeinet unnd verstanden) herab geworffen werden/ Baldt sind andere da/ denen dieses Spiel so wol gesellig ist/ und setzen die gespitzten Höltzer wieder auff/ unnd so fort/ Wie dann auch die Sachsen ihre abgeschaffete und nidergeworffene Götzen/ vielmals wieder auffgerichtet. Also wird daselbst alle Jahr auff benandten tag/ der Armen Seul gedechtnis gehalten."

Letzner  l.c.. 11

Einen ähnlichen Brauch gab es auch in Halberstadt. 12

Stand die Irminsul bei Irmenseul?

Die neue Irminsul bei Irmenseul

Folgt man Letzner 's Bericht, so stand die Irminsul nicht bei Irmenseul, sondern wurde dort, wo später das Dorf entstand, nur vorbeitransportiert. Er nimmt an, sie sei identisch mit der von Karl dem Großen zerstörten Irminsul, die wahrscheinlich auf der Eresburg bei Obermarsberg gestanden hatte.

Sie kann nicht vom Typus Baumstamm als Weltensäule  gewesen sein, wie Rudolf von Fulda (gestorben 865) sie beschreibt:

Truncum  quoque ligni  non parvae magnitudinis in altum erectum sub divo colebant, patria eum lingua Irminsul appellantes, quod Latine dicitur universalis columna, quasi sustinens omnia.
Sie verehrten auch unter freiem Himmel einen senkrecht aufgerichteten Baumstamm  von nicht geringer Größe, den sie in ihrer Muttersprache ,Irminsul‘ nannten, was auf lateinisch ,columna universalis‘ (dtsch. All-Säule) bedeutet, welche gewissermaßen das All trägt.
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Die von Letzner  beschriebene Hildesheimer Armenseul war vom Typus Arminsdenkmal ;  sie bestand aus Stein ( Marmelseul ) und nicht aus Holz ( truncum ligni ) wie die von Rudolf von Fulda beschriebene. Auch der Ort Irmenseul  hieß einst Armeseul .

Letzner über die Armenseul 14

Wenn man es für unplausibel hält, dass die Trümmer der Säule ein halbes Jahrhundert (von 772 bis 822) im Boden vergraben liegen gelassen wurden, um sie dann über 72 km nach Hildesheim zu schaffen, bietet sich noch folgende alternative Erklärung an: Unweit des späteren Dorfes Irmenseul stand eine weitere Irminsäule mit einem Standbild, das noch kultisch verehrt wurde. Ludwig der Fromme ließ sie gewaltsam abreißen (daher die 16 Gefallenen) und zum neuen Dom von Hildesheim bringen. Oberhalb von Irmenseul liegt ein Berg namens Teufelskirche , der als Standort in Frage kommt (siehe Karte am Seitenanfang ). Solche Flurbezeichnungen weisen auf alte heidnische Heiligtümer hin.


1 Niedersachsen-Navigator: http://www.lgn.niedersachsen.de

2 Plinius Senior: IV, 100     [la] proximi autem Rheno Istuaeones, quorum . . . . . mediterranei Hermiones , quorum Suebi, Hermunduri, Chatti, Cherusci . quinta pars Peucini, Basternae, supra dictis contermini Dacis.  Kontext siehe http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Pliny_the_Elder/4*.html

3 Bergwerckslexicon: Armenier Stein http://www.kremer-pigmente.com/10200.htm

4 Strabon: Geographia, VII, 1, 4 .

5 Florus: Epitoma de Tito Livio II,30

6 Fulda, Rudolf von: De miraculis sancti Alexandri, Kap. 3 [de]http://de.wikipedia.org/wiki/De_miraculis_sancti_Alexandri

7 [de]http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Irminsul_nach_Sebastian_M%C3%BCnster.Ca._1590.JPG

8 [de]Hermannsdenkmal

9 Letzner, Johann: Historia Caroli Magni Des Großmechtigsten/Christlich Römischen und ersten Teutschen Keysers … Gedruckt zu Hildesheim/durch Andream Hantzsch 1602 http://books.google.de/books?id=10AAAAAAcAAJ&pg=PT113&vq=Armenseul&dq=Johann+Letzner&source=gbs_search_s&cad=0

10 Sie besteht nach neuern Untersuchungen aus Kalksinter, wie er sich in römischen Wasserleitungen findet, und mag aus den Niederlassungen der Römer [* 6] am Rhein ins Innere von Deutschland [* 7] gekommen sein.   Meyers Konversations-Lexikon 1888, Artikel Irmensäulen   http://www.peter-hug.ch/lexikon/irmensaeulen

11 Letzner, Johann: zitiert bei http://www.suehnekreuz.de/VA/aufsaetze09.html

12 Jelusic, Marko; Friebe, F. H.: Das Jupitersteinigen http://f3.webmart.de/f.cfm?id=1902785&r=threadview&t=1978759&pg=1

13 [de]http://de.wikipedia.org/wiki/Irminsul .)

14 Letzner, Johann: Historia Caroli Magni, Des Grossmechtigsten, Christlichen Römischen vnd ersten Teutschen Keysers, Von seiner Ankunfft, Erziehung, löblichen vnd grossen Thaten, Vnd gewaltigen Zügen, Kriegen, Schlachten und Reisen ..., Hildeßheim, 1603 [VD17 23:236377N] http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0002/bsb00026912/images/index.html?id=00026912&fip=89.182.192.168&no=1&seite=110